In dieser Woche kam für mich erstmal
eine große Umstellung. Miriam war nicht mehr in Chittoor und somit
fiel ein wesentlicher Teil meiner Tagesbeschäftigung weg. Dennoch
bin ich die meisten Nachmittage noch in die Sherman School gegangen,
um dort die Wardens und die Kinder zu besuchen.
Außerdem wollte mein Chef Suresh mir
einige schöne Orte in der Umgebung zeigen. Wir haben extra einige
Tage dafür ausgemacht. Aber wir sind in Indien! Das bedeutet, dass
mir jeden Tag gesagt wurde, dass es irgendwelche Probleme gibt und
die Tour verschoben wird... Sie hat bis heute nicht stattgefunden.
Dafür habe ich einige sehr spontane
kurze Ausflüge gemacht.
Vellore
Nachdem ich meinen Unterricht beendet
hatte, wurde mir kurzerhand erklärt, dass ich jetzt mit der
Angestellten Elizabeth nach Vellore fahre. Warum nicht! Mit einem
holprigen Bus ging es nach Vellore zum goldenen Tempel. So eine
Busreise mit Indern kann sich wirklich in die Länge ziehen, denn
Elizabeth hatte komplett keine Ahnung wohin wir sollten.
Vor dem Tempel erklärte mir dann
Elizabeth, ich müsse allein hinein gehen, für sie sei es
Götzenverehrung und sie würde niemals Tempel betreten. Na gut, dann
eben allein! Der Tempel wurde von einem Guru erbaut und ist wirklich
aus purem Gold! Viele Menschen finden es jedoch sehr fragwürdig, wie
die Spenden eingesetzt wurden. Ich machte dann meinen Weg durch die
Tempelanlage (wobei die Besucher durch Schilder permanent zu Spenden
aufgefordert wurden, auch mit Kreditkarte möglich). Sie war bunt
bemalt und die Gartenanlage war auch wunderschön. Beim Tempel
angekommen erfuhr ich, dass Elizabeth mir aus Versehen ein „Special
Darshan“ Ticket gekauft hat. Okay, dann mache ich einfach den
Hindus vor mir alles nach.. Ich durfte in einer Gruppe Menschen für
eine Viertelstunde in dem Tempel hocken und mir die innere, heilige
Figur des Gottes angucken und verschiedene Gebete mitmachen. Der
Anblick des goldenen Tempels war einfach umwerfend. In der Zeit dort
wurde ein Gebet auf Sanskrit gesungen und man wurde von dem Brahmanen
im Tempel gesegnet. Auf dem Weg heraus habe ich dann noch eine Tasche
mit Guru-Aufdruck, ein Armband und die Tempel-Süßigkeit Ladoo
bekommen. Natürlich mit Spendenadresse. Trotzdem war die Stille und
Schönheit des Tempels genau das, was ich in dieser Zeit brauchte. So
schön, mal aus dem Lärm und Staub von Chittoor herauszukommen!
Elizabeth wartete vor dem Tempel und
ich erfuhr, dass ihre Eltern auch Hindus waren und sie konvertiert
ist. Leider konnte ich nicht verstehen warum, denn ihr Englisch
reicht dazu nicht aus.
Was war als nächstes dran? Der ganze
Stolz der Inder, das CMC-Krankenhaus, von dem uns immer erzählt
wurde, dass es das zweit Beste der ganzen Welt ist. Wahrheit: es ist
ein bekanntes Krankenhaus in Indien und von Menschenmassen belagert.
Voller Stolz wurde mir das Krankenhaus gezeigt und in der Kapelle des
christlichen Krankenhauses wurde noch ein kleiner Ausgleich für
Elizabeth geschaffen.
Auf dem Weg zum Bus kam dann ein
Vorbote des Monsuns, der jetzt erst richtig bei uns anfängt. So viel
Regen auf einmal! Und wir in unserer indischen Kleidung komplett
durchnässt mitten in Vellore. Natürlich muss da der Stadtbus
genommen werden. Der überfüllteste Bus, den ich bis jetzt in Indien
erlebt habe. Wir haben uns irgendwie in die offene Tür gequetscht.
Man konnte gar nicht mehr umfallen. Aber natürlich musste der
Chaffeur seine ganze Runde durch den Bus machen. Ich weiß nicht, wie
er das überlebt hat. Daheim in Chittoor hab ich mich über diesen
abwechslungsreichen Tag wirklich gefreut. Nur mit der simpeltsten
Kommunikation zwischen Elizabeth und mir hat es irgendwie
funktioniert und ich hatte wieder einen interessanten Einblick in den
Hinduismus, von dem ich Chittoor sonst eher wenig mitbekomme.
Zion-Hill
Die Kirche auf dem Zion-Hill |
Mir sollte außerdem ein Berg in der
Umgebung mit einer Kirche darauf gezeigt werden, zu dem mich mein
Chef eigentlich mitnehmen wollte. Dann doch nicht der Chef, sondern
seine Mutter und ein Verwandter mit dem privaten Fahrer. Alle 3
Gefährten konnten kaum ein Wort Englisch. Es ging mit dem Auto los
und alle sangen fröhlich zu christlicher indischer Musik. Der Berg
und die Natur war wunderschön und wieder die perfekte Abwechslung zu
dem lärmenden Chittoor, das mir in letzter Zeit einfach zu viel
wird. Während die anderen betend in der Kapelle waren, bin ich etwas
auf den Berg geklettert. Wirklich einmal allein mitten in Indien, das
ist selten! Und der Moment war wirklich besonders. Der Ausblick war
frei auf eine Landschaft mit Palmen, Reisfeldern und Bergen, die man
sich stundenlang angucken kann.
Der Monsun überraschte uns rasch und
ich rannte die Treppen zum Auto herunter, da es sonst keinen
Unterstand gab. Ich genoss den Regen, der so schön kühl im
Vergleich zu den Temperaturen war. Und meine Begleiter schauten mich
nur fassungslos an, da sich Weiße im Regen ihrer Meinung nach alle
Krankheiten holen, die es gibt. Durchnässt ging es dann im Auto
zurück nach Chittoor. Natürlich nicht ohne einen Teestopp in einem
kleinen Dorf zu machen und Verpflegung für die Autofahrt zu holen.
Mein letzter Ausflug war der
merkwürdigste von allem. Wieder mit dem Verwandten, der kaum ein
Wort Englisch spricht. Was wollte er mir zeigen? Eine
Süßigkeitenfabrik in Chittoor! Angekommen war ich wirklich
überrascht, alles wurde mit Handarbeit gemacht, viele sehr alte und
sehr junge Menschen haben dort gearbeitet. Probieren sollte ich auch
ständig, was mein Magen gar nicht gut vertragen hat. Denn indische
Süßigkeiten sind so voller Ghee (aufgeschäumte Butter) und so
extrem süß, dass man nach einem Stück schon nicht mehr kann. Auch
die Inderinnen & Inder, die dort arbeiteten, hatten eine Menge an
mir zu gucken. Also beruhte das wohl auf Gegenseitigkeit. Dann war
der Besuch auch schon wieder vorbei und ich weiß bis jetzt noch
nicht wirklich, was ich von alledem halten soll.
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