Wie
so oft in Indien habe ich auch diese Woche kaum gearbeitet. Mittwoch
machte ich mich mit Jakob auf den Weg nach Mysore, da dort in der
Nähe am nächsten Tag unser monatliches Get Together stattfinden
sollte. Die Zugfahrt war schön und man sieht zur Zeit immer mehr
abgeerntete Reisfelder, die der Landschaft in ein sattes Goldbraun
verleihen.
Ich übernachtete bei Mia, die in einem sehr kleinen Dorf
außerhalb von Mysore lebt. Das war schon ein Erlebnis an sich. Wir
nahmen einen der wenigen Busse zu ihrem Dorf und waren natürlich die
einzigen Weißen. Das Dorf hat um die 1000 Einwohner und ist sehr
sehr ländlich geprägt. Mias Gastfamilie ist eine der
wohlhabenderen. Ich kam in das Haus und musste erstmal verkraften,
dass in dem Wohnzimmer Kühe, Ziegen und Hühner standen! Normalität
dort. Die Familie war sehr freundlich und Mia machte mich mit allen
bekannt. Am nächsten Morgen brachen wir zu dem Get Together auf, das
genauso abgelegen wie dieses Dorf war. Nur bis 10 Uhr fuhren Busse
dorthin, sonst musste man sich Jeeps teilen. Mias Gastvater nahm uns
mit dem Scooter noch zu der nächsten Busstation mit und dort begann
unsere Reise ins wirklich abgelegene Indien. Wir nannten ihm die
Station und er ließ uns dann mitten im Nichts heraus. Dort war noch
nicht einmal ein Ort. Gar nichts außer ein Krankenhaus. Wir fragten
uns schon, wo wir gelandet waren und riefen die unsere Koordinatoren
an, die so typisch indisch selbst um einiges zu spät waren. Wir
wollten dann nur kurz in dem Krankenhaus auf Toilette gehen und
erfuhren dann, dass unser Get Together dort stattfinden sollte und
man uns erwartet hatte. Es war eine Aryuvedische Klinik mit einer
schönen Anlage.
Nach und nach trafen auch die anderen Freiwilligen
ein. Wir genossen die Tage, entspannten uns, bekamen Yoga-Unterricht
und verbrachten einen netten Abend miteinander.
Entspannen in der Aryuvedischen Klinik |
Am
nächsten Tag fuhren wir dann mit viel zu vielen Menschen in einen
Jeep gequetscht zurück nach Mysore. Von dort aus fuhren Mia, Jakob,
Biggi und ich nach Bangalore, da von dort aus unser Nachtzug ging.
Unser Ziel war Hyderabad, die muslimisch geprägte Hauptstadt
des Bundesstaates Andhra Pradesh. Aber schon bei dem Zugticket gab es
einiges Hin- und Her. Es war ein RAC (Reservation again
Cancellation)- Ticket und ich sollte kurz vorher eine SMS bekommen,
ob wir Schlafplätze hatten oder stehen mussten. Leider erhielt ich
überhaupt nichts. Wir machten uns schon etwas verzweifelt auf die
Suche nach einem halbwegs gemütlichen Platz auf dem Boden oder nach
freien Plätzen. Dann kam jedoch der Schaffner und teilte uns mit,
dass wir 4 Betten in der AC 3 Tier Klasse hätten, eine Klasse besser
als Sleeper Class. Unsere Freude war groß und wir machten uns gut
gelaunt auf die Reise.
Angekommen suchten wir und ein Hotel in der
Großstadt und begannen dann unsere Tour durch Hyderabad. Es war sehr
auffällig, das nicht nur alles in Telugu (der Sprache des
Bundesstaates) geschrieben war, sondern das meiste in Urdu (der
Sprache der indischen Muslime). Die meisten Frauen dort waren
verschleiert und die Männer trugen die weiße Kappe auf dem Kopf.
Straßen in Hyderabad |
Auch wir machten uns lieber mit einem schwarzen Tuch und langen
Klamotten auf den Weg, da wir uns damit wohler fühlten. Zunächst
besuchten wir das riesige Golconda Fort nach langer Suche und einer
mehrstündigen Irrfahrt in die falsche Ecke Hyderabads. Die Stadt ist
um einiges schmutziger und hat auffällig viele Bettler. Dennoch hat
sie ihren ganz eigenen Charme und wir waren alle angetan. Während
wir im Bus fuhren, ritt auf einmal ein Mann auf einem Kamel an uns
vorbei. Mitten im Großstadtverkehr! Und nicht genug. Das Kamel fing
auch noch an zu galoppieren und war schneller als unser Bus. So etwas
sieht man auch nur in Indien...
Ein Kamel im Stadtverkehr? |
überfüllter Bus & mittendrin Jakob |
Die
meiste Zeit des Tages wanderten wir dann durch das Golconda Fort und
genossen den Ausblick über die Stadt .
Teile des Forts |
Ich, Jakob & Mia - Klettern auf dem Fort |
Dort trafen wir dann auch ein
Filmteam, das einen Telugu-Film drehen wollte und ein echtes Gewehr
dabei hatte! Sie durften dann wegen den Sicherheitsbeamten auch nicht
drehen. Wir fragten nur, ob es echt wäre: „Real, No fun.“
Okay...
Denn
Andhra Pradesh ist die Haupstadt der Tollywood-Filmindustrie
(Tollywood – Telugu) – nicht Bollywood. Danach
vertrieb es uns noch ganz spontan zu den Qutb Shahi Tombs (Mausoleen
verschiedener muslimischer Herrscher), die wir von dem Fort aus
gesehen hatten. In der Abenddämmerung schlenderten wir durch die
riesigen beeindruckenden Bauwerke, die einen sehr an den Orient
erinnerten. Muslimische Jungen in weißer Kleidung und weißer Kappe
und schwarz verschleierte Frauen gingen durch die Anlage. Wir selbst
hatten auch gelernt wie man sich verschleiert und die Erfahrung
gemacht, das alle Menschen sich sehr darüber freuen. Vor allem
bringt es den Vorteil, dass man nicht ständig angestarrt wird.Wir
schauten uns von dort den Sonnenuntergang an. Auf einmal fingen aus
allen Ecken der Stadt die Gesänge der Muezzine an und der Moment war
sehr mystisch.
endlose Gänge |
Mausoleum - Sarg & Eingang zu der Gruft |
Sicherheitshinweis auf indische Art |
muslimische Jungen luafen durch das Mausoleum |
Sonnenuntergang |
Zum
Abendessen gab es dann natürlich Biryani! Biryani ist das Gericht,
für das Andhra Pradesh und vor allem Hyderabad berühmt ist. In
vorigen Beiträgen habe ich schon davon geschrieben und es war
wirklich lecker und günstig. Abends war dann schon wieder unser
Hotel geschlossen. Wir baten den Riksha-Fahrer, bei uns zu bleiben
und mit dem Besitzer am Telefon auf Telugu zu reden. Denn es trieben
sich so einige komische Gestalten auf der Straße herum. Als wir im
Hotel waren, fielen wir alle nur noch ins Bett, erschöpft von dem
Tag und seinen vielen Eindrücken.
Am
Sonntag wollten wir die Charminar und ihre Bazaare besuchen. Die
Charminar ist eine Art Stadttor, das riesig und sehr beeindruckend
ist. Außerdem besuchten wir noch eine Moschee und machten uns dann
auf die berühmten Bazaare. Die Straßen waren voll mit tausenden von
Armbändern, Second-Hand Sarees, Burka-Läden und allem was das Herz
begehrt. Die Stunden auf dem Bazaar vergingen wie im Flug und wir
machten viele tolle Geschäfte.
Blick durch unsere Linse - ständig Inder die uns fotografieren (natürlich meist ohne zu fragen) |
Bazaar |
Abends machten wir uns auf den Weg
zum Bahnhof und besuchten dort in der Nähe noch einen hinduistischen
Tempel. Das war wieder ein Kontrastprogramm und wir waren von den
Farben und Gesängen ganz überfordert. Im Tempel machten wir noch
einmal den Darshan mit, bei dem wir mit Wasser bespritzt wurden, uns
mit Pfauenfedern auf den Kopf geschlagen wurde, wir heilige Blätter
kauten und parfümierte Wattebällchen bekamen.
Auf
der langen Zugrückfahrt hatten wir diesmal leider keinen AC 3 Tier
sondern einen normalen Sleeper und die Zugfahrt dauerte über 14
Stunden! Doch das Wochenende insgesamt war eine tolle Erfahrung mit
dem Islam in Indien, den ich jetzt besser verstehen gelernt habe.
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