Donnerstag, 28. Februar 2013

Warum denn nicht mal muslimisch?

Wie so oft in Indien habe ich auch diese Woche kaum gearbeitet. Mittwoch machte ich mich mit Jakob auf den Weg nach Mysore, da dort in der Nähe am nächsten Tag unser monatliches Get Together stattfinden sollte. Die Zugfahrt war schön und man sieht zur Zeit immer mehr abgeerntete Reisfelder, die der Landschaft in ein sattes Goldbraun verleihen.
Ich übernachtete bei Mia, die in einem sehr kleinen Dorf außerhalb von Mysore lebt. Das war schon ein Erlebnis an sich. Wir nahmen einen der wenigen Busse zu ihrem Dorf und waren natürlich die einzigen Weißen. Das Dorf hat um die 1000 Einwohner und ist sehr sehr ländlich geprägt. Mias Gastfamilie ist eine der wohlhabenderen. Ich kam in das Haus und musste erstmal verkraften, dass in dem Wohnzimmer Kühe, Ziegen und Hühner standen! Normalität dort. Die Familie war sehr freundlich und Mia machte mich mit allen bekannt. Am nächsten Morgen brachen wir zu dem Get Together auf, das genauso abgelegen wie dieses Dorf war. Nur bis 10 Uhr fuhren Busse dorthin, sonst musste man sich Jeeps teilen. Mias Gastvater nahm uns mit dem Scooter noch zu der nächsten Busstation mit und dort begann unsere Reise ins wirklich abgelegene Indien. Wir nannten ihm die Station und er ließ uns dann mitten im Nichts heraus. Dort war noch nicht einmal ein Ort. Gar nichts außer ein Krankenhaus. Wir fragten uns schon, wo wir gelandet waren und riefen die unsere Koordinatoren an, die so typisch indisch selbst um einiges zu spät waren. Wir wollten dann nur kurz in dem Krankenhaus auf Toilette gehen und erfuhren dann, dass unser Get Together dort stattfinden sollte und man uns erwartet hatte. Es war eine Aryuvedische Klinik mit einer schönen Anlage. 
Nach und nach trafen auch die anderen Freiwilligen ein. Wir genossen die Tage, entspannten uns, bekamen Yoga-Unterricht und verbrachten einen netten Abend miteinander. 

Entspannen in der Aryuvedischen Klinik
 
Am nächsten Tag fuhren wir dann mit viel zu vielen Menschen in einen Jeep gequetscht zurück nach Mysore. Von dort aus fuhren Mia, Jakob, Biggi und ich nach Bangalore, da von dort aus unser Nachtzug ging. Unser Ziel war Hyderabad, die muslimisch geprägte Hauptstadt des Bundesstaates Andhra Pradesh. Aber schon bei dem Zugticket gab es einiges Hin- und Her. Es war ein RAC (Reservation again Cancellation)- Ticket und ich sollte kurz vorher eine SMS bekommen, ob wir Schlafplätze hatten oder stehen mussten. Leider erhielt ich überhaupt nichts. Wir machten uns schon etwas verzweifelt auf die Suche nach einem halbwegs gemütlichen Platz auf dem Boden oder nach freien Plätzen. Dann kam jedoch der Schaffner und teilte uns mit, dass wir 4 Betten in der AC 3 Tier Klasse hätten, eine Klasse besser als Sleeper Class. Unsere Freude war groß und wir machten uns gut gelaunt auf die Reise.
Angekommen suchten wir und ein Hotel in der Großstadt und begannen dann unsere Tour durch Hyderabad. Es war sehr auffällig, das nicht nur alles in Telugu (der Sprache des Bundesstaates) geschrieben war, sondern das meiste in Urdu (der Sprache der indischen Muslime). Die meisten Frauen dort waren verschleiert und die Männer trugen die weiße Kappe auf dem Kopf.

Straßen in Hyderabad

Auch wir machten uns lieber mit einem schwarzen Tuch und langen Klamotten auf den Weg, da wir uns damit wohler fühlten. Zunächst besuchten wir das riesige Golconda Fort nach langer Suche und einer mehrstündigen Irrfahrt in die falsche Ecke Hyderabads. Die Stadt ist um einiges schmutziger und hat auffällig viele Bettler. Dennoch hat sie ihren ganz eigenen Charme und wir waren alle angetan. Während wir im Bus fuhren, ritt auf einmal ein Mann auf einem Kamel an uns vorbei. Mitten im Großstadtverkehr! Und nicht genug. Das Kamel fing auch noch an zu galoppieren und war schneller als unser Bus. So etwas sieht man auch nur in Indien... 

Ein Kamel im Stadtverkehr?

überfüllter Bus & mittendrin Jakob
 
Die meiste Zeit des Tages wanderten wir dann durch das Golconda Fort und genossen den Ausblick über die Stadt . 
Teile des Forts


Ich, Jakob & Mia - Klettern auf dem Fort

Dort trafen wir dann auch ein Filmteam, das einen Telugu-Film drehen wollte und ein echtes Gewehr dabei hatte! Sie durften dann wegen den Sicherheitsbeamten auch nicht drehen. Wir fragten nur, ob es echt wäre: „Real, No fun.“ Okay...
Denn Andhra Pradesh ist die Haupstadt der Tollywood-Filmindustrie (Tollywood – Telugu) – nicht Bollywood. Danach vertrieb es uns noch ganz spontan zu den Qutb Shahi Tombs (Mausoleen verschiedener muslimischer Herrscher), die wir von dem Fort aus gesehen hatten. In der Abenddämmerung schlenderten wir durch die riesigen beeindruckenden Bauwerke, die einen sehr an den Orient erinnerten. Muslimische Jungen in weißer Kleidung und weißer Kappe und schwarz verschleierte Frauen gingen durch die Anlage. Wir selbst hatten auch gelernt wie man sich verschleiert und die Erfahrung gemacht, das alle Menschen sich sehr darüber freuen. Vor allem bringt es den Vorteil, dass man nicht ständig angestarrt wird.Wir schauten uns von dort den Sonnenuntergang an. Auf einmal fingen aus allen Ecken der Stadt die Gesänge der Muezzine an und der Moment war sehr mystisch. 

endlose Gänge

Mausoleum - Sarg & Eingang zu der Gruft

Sicherheitshinweis auf indische Art

muslimische Jungen luafen durch das Mausoleum

Sonnenuntergang
 
Zum Abendessen gab es dann natürlich Biryani! Biryani ist das Gericht, für das Andhra Pradesh und vor allem Hyderabad berühmt ist. In vorigen Beiträgen habe ich schon davon geschrieben und es war wirklich lecker und günstig. Abends war dann schon wieder unser Hotel geschlossen. Wir baten den Riksha-Fahrer, bei uns zu bleiben und mit dem Besitzer am Telefon auf Telugu zu reden. Denn es trieben sich so einige komische Gestalten auf der Straße herum. Als wir im Hotel waren, fielen wir alle nur noch ins Bett, erschöpft von dem Tag und seinen vielen Eindrücken.
Am Sonntag wollten wir die Charminar und ihre Bazaare besuchen. Die Charminar ist eine Art Stadttor, das riesig und sehr beeindruckend ist. Außerdem besuchten wir noch eine Moschee und machten uns dann auf die berühmten Bazaare. Die Straßen waren voll mit tausenden von Armbändern, Second-Hand Sarees, Burka-Läden und allem was das Herz begehrt. Die Stunden auf dem Bazaar vergingen wie im Flug und wir machten viele tolle Geschäfte. 

Blick durch unsere Linse - ständig Inder die uns fotografieren (natürlich meist ohne zu fragen)

Bazaar

Abends machten wir uns auf den Weg zum Bahnhof und besuchten dort in der Nähe noch einen hinduistischen Tempel. Das war wieder ein Kontrastprogramm und wir waren von den Farben und Gesängen ganz überfordert. Im Tempel machten wir noch einmal den Darshan mit, bei dem wir mit Wasser bespritzt wurden, uns mit Pfauenfedern auf den Kopf geschlagen wurde, wir heilige Blätter kauten und parfümierte Wattebällchen bekamen.
Auf der langen Zugrückfahrt hatten wir diesmal leider keinen AC 3 Tier sondern einen normalen Sleeper und die Zugfahrt dauerte über 14 Stunden! Doch das Wochenende insgesamt war eine tolle Erfahrung mit dem Islam in Indien, den ich jetzt besser verstehen gelernt habe. 

 

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