Sonntag, 24. Februar 2013

Weihnachten und Silvester - anders als gedacht

Weihnachten


Weihnachten und auch Silvester wird in Indien kaum gefeiert, denn die meisten Menschen sind Hindus oder Moslems. Die wenigen Christen hier verbringen das Fest mit ihrer Familie, einem kleinen behangenen Plastikweihnachtsbaum und Faltsternen.
Ich wollte das Fest mit anderen Freiwilligen zusammen feiern und wir haben uns auf eine kleine Reise begeben. Zunächst starteten wir zu viert von Bangalore aus. Zwei Freiwillige, die von der gleichen Organisation waren, bei der ich in Chittoor immer geholfen habe und eine Freiwillige aus dem hohen Norden Indiens. Hoa kannte ich schon aus Deutschland von den Vorbereitungsseminaren und sie hat sich auf die 40-stündige Zugfahrt in den Süden gemacht, um mit uns Weihnachten und Silvester zu feiern.
Unsere Pläne für Weihnachten: Kerala!
Das erste Ziel war Kochi. Dort trafen wir uns mit vier anderen Freiwilligen von FSL: Jakob, Arla, Mia und Alex. Zusammen nahmen wir ein Hotel und verbrachten einen schönen Urlaub zusammen. In Kochi ist der Großteil der Bevölkerung Christen und so war alles voller Weihnachtssterne, Bäume, Girlanden und auch die Inder waren in festlicher Stimmung. An unserem ersten Tag entdeckten wir die Stadt mit ihren Bazaaren, dem portugiesischen Viertel und den typischen Fischernetzen. Außerdem machten wir uns auf die Suche nach Weihnachtsgeschenken! Wir machten Jul Club, also zog jede Person den Namen einer anderen und sollte für diese ein Geschenk besorgen. Ich hatte mir für Jakob einen weißen Lungi mit farbiger Borte in den Kopf gesetzt, den man erstmal in einem tourischen Ort zu einem humanen Preis finden muss! Letzten Endes wusste dann jeder Verkäufer Bescheid, was ich suchte und man winkte mich am anderen Ende der Stadt in die Läden: „Madame, I know, you search Lungi? I have chep ones, good qualitiy.“. Abends gingen wir noch aus, lernten interessante Menschen kennen und entspannten uns auf unserer Dachterasse. Leider haben wir an diesem Abend nur sehr wenig Schlaf bekommen und dann war auch schon der große Tag gekommen: Heiligabend! Tagsüber machten wir eine organisierte Backwaters-Tour, mal ganz touristisch. Unsere verschlafene Truppe wurde morgens mit einem Bus vor unserem Hotel abgeholt um dann die längere Strecke zum Ableger gefahren zu werden. Dort fuhren wir dann in einem Holzkanu die kleinen Kanäle hindurch, mitten durch Dörfer und Dschungel. Zum Mittagessen auf einer Insel gab es typisches Essen aus Kerala, wo der Reis viel größer ist und aufgedunsen aussieht (natürlich auf Bananenblättern). Danach machten wir eine Tour auf einer Art Hausboot durch die großen Kanäle, bei der die meisten von uns einschliefen. Ich genoss die Tour zu aus Deutschland mitgebrachter Weihnachtsmusik, es ist doch schließlich Heiligabend! Abends angekommen wurden noch die letzten Vorbereitungen für den großen Abend getroffen. Wir hatten einen Tisch in einem sehr noblen Hotel & Restaurant direkt am Wasser reserviert. Zur Feier des Tages zogen Anna, Arla und ich einen Saree an. Doch alleine können wir uns immer noch nicht in den 5 Meter langen Stoff einwickeln. Also fragten wir unsere Hotelbesitzer. Dann wurden wir gleich in das Haus der Großmutter bugsiert und dort von 3 Frauen eingekleidet. Danach gab es noch echten! Schokoladenkuchen und selbstgemachten Wein (typisches Weihnachtssüßigkeit der christlichen Inder). Auf dem Weg zum Restaurant waren wir natürlich der Blickpunkt, alle wünschten sich gegenseitig „Happy Christmas“ - indische Version im Gegensatz zu „Merry Christmas“. Auch liefen Menschen mit Weihnachtsmannmasken auf der Straße herum – doch die Fratze erinnerte eher an Halloween. Das Essen war wirklich ein Festmahl und bis jetzt auch das teuerste, das ich in Indien hatte (400 Rupees – 7 Euro!). Aber die selbstgemachten Nudeln waren es wert. Nach dem Abendessen fand dann die Bescherung auf unserer Dachterasse statt. Wir sangen kurz Weihnachtslieder und packten die Geschenke zu Kerzenlicht aus. Ich bekam 3 fabelhafte CDs mit kitschiger indischer Weihnachtsmusik! Genau das richtige für meine Sammlung an Weihnachtsliedern. Auch alle anderen waren glücklich mit ihren Geschenken. Um 12 gingen wir dann zu der Mitternachtsmesse in der alten katholischen Basilica. Dort tummelten sich hunderte Menschen, die gar nicht alle in die Kirche passten. Inder, Weiße, kleine Kinder, alte Menschen. Die Stimmung war schön. Man stand vor der Kirche in den Menschenmassen und von innen ertönten Weihnachtslieder wie „Adeste Fideles“, alles war mit Lichtern behangen und Sternen geschmückt. Danach folgten noch Telefonate mit Freunden Daheim und in der Welt verteilt. Ein ganz anderes Weihnachten – aber trotzdem schön es mit so vielen netten Menschen zu verbringen. Und wirklich das erste Weihnachten, an dem es über 30°C waren und alle ständig geschwitzt haben. Und das obwohl im Moment Winter ist!
Am nächsten Tag verstreuten sich alle, guckten sich die Stadt an, machten Besorgungen und fuhren mit der Fähre zu den unterschiedlichen Inseln. Außerdem hatten viele von uns „Skype-Verabredungen“ mit den Lieben Daheim. So konnte ich wenigstens ein wenig an unserem alljährlichen Familientreffen bei meiner Großmutter teilnehmen. Ich war ganz aufgeregt alle nach so langer Zeit wieder zu sehen und habe mich wirklich gefreut.
Abends verbrachten wir noch ein schönes letztes Abendessen bei einem Italiener (was man nicht alles in Touristenstädten findet), der extra für uns aufgemacht hat. Also saßen wir allein in dem Restaurant zu Kerzenschein, da der Strom ausgefallen war.


Entspannen auf dem Hausboot
typisches Mittagessen

Heiligabend

Kirche zu Weihnachten

mit dem Kanu durch enge Kanäle

frischer Fisch!

Arla, Ich und Mia auf dem Kanu

Fischernetze


Am nächsten Tag ging es für uns alle spontan zu unserem nächsten Ziel in Kerala – Varkala.
Die Zugfahrt dorthin war definitiv ein Erlebnis. Nach einiger Verspätung drängten wir uns mit unseren unreservierten Tickets in den überfüllten Zug. Für uns blieb die schlechteste Klasse, Second Class. Dort saßen wir oben gequetscht auf der Gepäckablage und versuchten uns so wenig wie möglich zu bewegen. Für diese 4 Stunden ließ es sich definitiv aushalten wir sind wirklich mal wie die Inder gereist. Uns blieb nur eine kurze Zeit in Varkala und wir schauten uns den Strand und die Läden an und verbrachten einen netten Abend, auch wenn wir eine unangenheme Begegnung mit einem Kellner machten. Dieser war sehr unfreundlich zu uns, begann uns dann jedoch von seinen Familienproblemen zu erzählen. Am nächsten Tag sahen wir wie eine Gestalt wortwörtlich aus einem Hintereingang auf die Straße geworfen wurde, sich dort den Kopf anstieß und dort zusammengekauert liegen blieb. Dies war unser Kellner, der komplett betrunken zu sein schien, und das war am nächsten Tag um die Mittagszeit. In Varkala war es zwar heiß, aber bewölkt. Einige von uns gingen baden und wir gaben ein Interview für einen indischen Fernehsender, in dem wir am Ende „Merry Christmas and a Happy New Year“ hereinbrüllten. Das Video habe ich leider nicht gefunden..
Fischer
Hoa, Anna, Seppel und ich machten uns am nächsten Tag schon wieder auf den Weg zurück nach Kochi, weil von dort unser Bus nach Mysore gehen sollte. Diese Zugfahrt war wieder ein Erlebnis. Als wir in die Second Class einsteigen wollten, zeigte man einen Waggon weiter, dieser wäre richtig. Das war aber Sleeper Class, und dort hatten wir mit unseren Tickets keinen Platz. Als wir dann nochmal versucht in die Second Class einzusteigen, versperrte man uns den Weg und drückte uns heraus. Wahrscheinlich haben sich die Inder Sorgen um uns gemacht. Der Zug setzte sich dann in Bewegung und wir sprangen mit unserem ganzen Gepäck dann in den fahrenden Zug in die Sleeper Class. Dort saßen wir dann nicht auf Sitzen sondern im Türeingang. Wenn man den Gestank der Toilette ausblendete war es wunderschön, da wir den Blick nach draußen genießen konnten. Kerala hat eine bezaubernde Landschaft und ist einfach einer der schönsten Bundesstaaten.



Klippen von Varkala
Die ganze Gruppe am Strand


Blick aus dem Zug


Abends nahmen wir dann den Bus nach Mysore

Silvester


In Mysore schauten wir uns tagsüber den Palast und den riesigen Market an, um uns am Nachmittag schon wieder auf die Weiterreise zu begeben. Anna und Seppel fuhren zurück in ihre Projekte.
Anna, Ich und Hoa vor dem Palast

Mahendi, das Hoa und Ich uns für Silvester machten


Hoa und ich trafen zwei andere Freiwillige: Biggi und Judith. Unser Ziel für Silvester – Goa!
Wie immer eine holprige Busfahrt mit dem Governmental Bus durch die Berge. Angekommen in Panaji hatten wir das gleich Ziel wie letztes Mal – Anjuna! Diese Stadt. Ich weiß nicht, warum es uns immer wieder dorthin treibt. In Anjuna angekommen merkten wir schnell, das wir uns in der Haupttouristensaison befanden. Die Preise für Hotels waren 5 bis 10 mal so hoch, verglichen zu unserem letzten Mal und das meiste war ausgebucht. Zum Glück zeigte uns ein Ladenbesitzer ein erschwingliches Hotel ein wenig abseits vom Strand. Wir verbrachten die Tage am Strand und gingen abends aus. Am nächsten Tag erkundeten wir mit denm Bus in wenig die Gegend und landeten in Candolim – schrecklicher, touristischer Strand, an dem am Tag vorher ein Festival zu Ende gegangen war. Hätten wir das gewusst. Doch dort lernten wir eine Gruppe von älteren Indern und deren Familie aus Mumbai kennen, die anscheinend Filmroduzenten waren. Diese luden uns für den Abend ein und nahmen uns mit in den nächstgelegenen Ort. Am nächsten Tag war auch schon Silvester und es kamen auch noch unsere Gefährten aus Kochi nach, die Probleme mit ihrer Busfahrt gehabt hatten, aber es zum Glück ünktlich zu Silvester geschafft haben. Plötzlich tummelten sich immer mehr Freiwillige, die man kannte, in Anjuna herum. Wir lernten noch mehr neue Menschen kennen und verbrachten den Abend alle zusammen. Immerhin waren wir 4 ½ Stunden früher im neuen Jahr! Auch wenn der Jahreswechsel nicht groß zelebriert wurde und eher in den Menschenmassen unterging. Ich tätigte einen Anruf nach Hause. Meine Mutter befand sich im Jahr 2012 und ich schon im Jahr 2013. Das ist verrückt!
Auch die nächsten Tage verbrachten wir am Strand und auf dem riesigen Markt in Anjuna. An einem Abend bemalten wir uns mit den bunten Farben, die man in Mysore auf dem Markt kaufen kann. Am Ende dieser etspannten und aufregenden Tage trennte sich unsere Gruppe und ich machte mich mit Biggi auf den Weg zurück nach Mysore. Im Bus versuchte sich ein junger Mann hartnäckig auf meinen Platz zu setzten und die Frau darauf zu verscheuen. Doch Biggi, ich und die Frau (die kaum ein Wort Englisch sprach) gingen zusammen gegen den Mann an, der dann aufgab. So hatten wir uns eine neue Freundin gemacht und nachts merkte ich, wie jemand meinen Kopf an seinen Schulter anlehnte. In Mysore folgte auch der Abschied von Biggi und ich machte mich schweren Herzens auf den Weg zurück ins überfüllte Bangalore. Denn dieser Urlaub mit allen seinen Abenteuern, Problemen und Erlebnissen war einfach toll!

Abends am Strand

Sonnenuntergang in Candolim

Strand in Anjuna

Silvester

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